Heute vor 19 Jahren starb mein Vater. Ich weiß, das haben viele von uns schon hinter sich. Aber jeder geht mit seinen Erfahrungen anders um. Und dazu gehört auch die Trauer. Denn die ist immer noch da. Auch nach 19 Jahren.
Ich denke mal, es liegt auch daran, dass mir die richtige Partnerin an meiner Seite fehlt. Denn die würde durch ihre Anwesenheit dafür sorgen, dass die letzten besch --- eidenen Jahre nicht mehr so präsent wären.
Das Ende von meinem Vater
Mein Vater ging 2004 zum Arzt, nachdem meine Mutter sah, er wurde gelb im Gesicht. Der Grund war ein Problem wegen der Gallenblase. Die Gallenflüssigkeit sorgte für die Gelbsucht. Im Rahmen der Untersuchungen wurde dann auch der Tumor an der Bauchspeicheldrüse festgestellt. Es kam zur OP in der Uniklinik in Köln. Dabei wurde ein Teil der Bauchspeicheldrüse und des Darms entfernt. Also es war eine sehr umfangreiche OP. Anschließen kam die Reha, in der mein Vater lernte mit den neuen Umständen zu essen. Also was und was nicht gegessen werden durfte.
Im nächsten Jahr kamen dann wieder Tumore. Das der Körper nicht noch so eine große OP überstehen würde, bekam mein Vater Chemo. Aber dies war leider nicht so erfolgreich.
Im Krankenhaus in den letzten Tagen
Gestern vor 19 Jahren, war ich wieder - wie jeden Tag seit wir wussten, was kommen wird - mit meiner Mutter bei meinem Vater im Krankenhaus. Da er im Gegensatz zu 3 Tagen vorher wohl schon viel Morphium bekam, war er gar nicht mehr richtig wach. Er schlief den ganzen Tag. Meine Mutter und ich redeten kaum. Denn wir wussten ja von Der Ärztin, was kommen wird.
Mein Vater war nur ins Krankenhaus gefahren, weil er Wasseransammlungen in den Beinen und im Bauch hatte. Dies wollte er im Krankenhaus entfernen lassen. Dies war eine Woche vorher. Um keine Gebühren für den Parkplatz am Krankenhaus zahlen zu müssen, stellte er seinen Wagen in eine Seitenstraße ab. Er ging ja davon aus - wie wir alle - es dauert nur ein paar Tage, bis das Wasser wieder weg ist.
Aber Sonntag bekam meine Mutter einen Anruf von der Ärztin. Wir sollten zu ihr ins Krankenhaus kommen. Dann sagte sie uns, dass er halt Wasser im Körper hat, das konnten die aber jetzt nicht mehr entfernen. Denn der Tumor hatte trotz OP vor 2 Jahren in der Uniklinik Köln und Chemo gestreut, und dies war jetzt so fortgeschritten, dass sie nichts mehr für ihn tun konnten. Es würde nur einige Tage dauern.
Draußen sagte ich zu meiner Mutter, das ich ihm das nicht sagen werde, und meine Mutter wollte es auch nicht. Wir waren wieder bei ihm im Zimmer, aber wir redeten ganz normal mit ihm. Er war ja noch ganz klar. Er lag halt nur im Krankenbett.
Auf der Arbeit, bei Pelikan Hardcopy, rief ich meine Kollegin an und sagte ihr was los war und dass ich mir jetzt Urlaub nehmen wollte um jeden Tag ins Krankenhaus zu fahren. Das war auch kein Problem. Das war völlig verständlich. Ich rief meine Mutter an und sagte ihr bescheid. Nach Mittag fuhren wir zum Krankenhaus. Alles war wie immer. Wir redeten ganz normal mit meinem Vater, wie immer.
Dann meinte meine Mutter sie geht mal raus zum Arzt, weil sie mit ihm reden wollte. Ich blieb im Zimmer bei meinem Vater. Aber alles war ganz normal. Ich machte dumme Sprüche (wie immer) darüber, dass er ein Einzelzimmer hatte und keine nervigen Zimmernachbarn. Und dann kam es.................
Mein Vater sagte zu mir ganz normal "Wir müssen auch noch über meine Beerdigung sprechen.". Da wurde mir ganz anders. Und dies überspielte ich mit einem dummen Spruch.
"Wir verbuddeln dich unten im Park und gut is."
Mein Vater lachte leicht. Mir war klar, die vom Krankenhaus hatten ihm wohl gesagt, wie es aussieht. Aber ich hatte keine Motivation mit meinem Vater über seine Beerdigung zu reden. Dann kam auch meine Mutter wieder. Wir redeten alle ganz normal darüber, was der Arzt gesagt hatte. Ich weiß aber nicht mehr um was es da ging. Nix Wichtiges.
Als ich mit meiner Mutter fuhr, sagte ich ihr, dass mein Vater bescheid weiß und dass er mit mir über seine Beerdigung reden wollte. Meine Mutter sagte nix dazu.
Am nächsten Tag, Dienstag, waren wir natürlich auch da. Aber keiner sprach davon was wir nun alle wussten. Keiner wollte was zu dem Thema sagen. Aber mein Vater war plötzlich auch nicht mehr so munter wie am Vortag. Jedoch war er noch klar im Kopf. Nur eben schon müde. Ich vermute mal die hatten ihm schon Medikamente gegeben, für das was noch kommen wird.
Mittwoch schlief mein Vater nur. Da war klar, dass er schon Morphium bekam. Zwischendurch kam ein Pfleger, um nach ihm zu sehen und ob alles in Ordnung ist. Dabei wurde mein Vater wach und schreckte hoch. Er sah den Pfleger überrascht und drohend an. Als ob er sagen wollte "was willst du denn jetzt von mir? "
Dann sah mein Vater mich an. Und ich glaube das hat ihn beruhigt dass ich auch da war und alles im Blick hatte, damit ich aufpasse, dass ihm keiner was tut. Denn er machte dann auch die Augen wieder zu und schlief weiter. Ich weiß nicht ob er bis zum nächsten Abend noch mal wach wurde. Aber da ist er mit dem beruhigenden Gefühl eingeschlafen dass ich da war und guckte was der Pfleger mit ihm macht.
Als ich mit meiner Mutter nach Hause fuhr redeten wir quasi kaum etwas. Denn wir wussten dass auch dies das letzte Mal gewesen sein könnte, wo wir meinen Vater das letzte Mal gesehen haben.
Der letzte Tag
Aber so war es nicht, sondern am Donnerstag waren wir dann auch da. Jedoch schlief er nur durchgehend. Eine Schwester kam noch mal zu ihm um zu gucken ob alles okay war aber das hatte er gar nicht mitbekommen. Als wir dann fuhren, war ich mir ziemlich sicher dass dies das letzte mal war wo wir ihn gesehen haben.
Donnerstagabend bekam meine Mutter einen Anruf, dass mein Vater verstorben ist. Ich telefonierte gerade mit einer Bekannten, aber als meine Mutter mich dann übers Handy anrief weil ja Festnetz besetzt war, sagte ich sofort ich muss aufhören, vermutlich ist es vorbei. Und sie sagte sie hat einen Anruf bekommen. Mein Vater ist eben gestorben. Wenn wir wollen können wir noch mal kommen um ihn zu sehen. Das taten wir dann auch. Mein Vater lag auf dem Bett, die Hände auf der Brust gefaltet, und sah aus, als wäre er gerade aus dem Urlaub wiedergekommen. Also er war wohl geschminkt worden damit er nicht so blass aussah wenn wir ihn sehen. Meine Mutter und ich saßen dann da , guckten meinen Vater an, und sagten kein Wort.
Ich weiß nicht mehr wie lange wir da waren. Als wir ginnen, kam auf dem Flur gerade eine Schwester vorbei, meine Mutter fing an zu heulen und schlug gegen die Wand. Ich denke aus Frust oder Trauer, vielleicht auch Verzweiflung. Die Schwester nahm sie direkt in den Arm. Ich stand nur da und starte vor mich hin.
Wir sprachen dann auch kein Wort. Ich denke uns war beide nicht nach reden.
Zu Hause angekommen stellte ich meinen Wagen in die Garage und ging Richtung Haustür. Meine Mutter stand noch da und ich bin dann mit ihr im Nebenhaus in die Wohnung meiner Eltern. Ich wollte sie jetzt da auch nicht alleine lassen. In der Wohnung sprachen wir noch kurz darüber was wir jetzt erledigen müssten, mit Beerdigung und so. Wir sprachen uns dann ab, dass wir am nächsten Tag zum Bestatter fahren um das ganze anzuleiern.
Der Mann Bestattungsinstitut sagte uns dann wie es weitergeht, dass die meinen Vater bei der Stadt abmelden und sowas.
Als wir wieder zu Hause waren, war ich wieder bei meiner Mutter in der Wohnung, und überlegten halt was wir dann noch tun müssten , Versicherungen, Rente, Krankenkasse, und solche Sachen, und sahen uns an was der Mann uns aufgeschrieben hatte, wo die meinen Vater abmelden würden. Und das war ja eigentlich schon das meiste was von denen übernommen wurde. Aber ist auch klar, die haben damit täglich zu tun, kennen die richtigen Stellen und die Leute die das bearbeiten.
Wenn ich das noch richtig im Kopf habe, hatte ich zwei Tage Sonderurlaub wegen des Todes meines Vaters. Und ich meine ich bin dann Mittwochs wieder arbeiten gefahren.
Außerdem habe ich in der nächsten Zeit die Sachen von meinem Vater (Kleidung) weggeworfen. Das war schon ein richtig mieses Gefühl. Auch bei anderen Sachen was im Badezimmer steht z.b und was nur er benutzte. Das war schon irgendwie endgültig. Also dass er gestorben war, war eine Sache, aber dann auch noch seine Sachen wegschmeißen, das war schon krass.
In den nächsten Wochen mussten wir auch noch andere Dinge wegschmeißen von meinen Eltern also auch von meiner Mutter, denn durch die niedrigere Rente die sie bekam konnte sie sich nicht mehr die drei Zimmer Wohnung leisten. Das heißt sie musste ich eine neue Wohnung suchen. Die fand sie zwar auch in Düren natürlich, und nicht so weit von mir entfernt, vielleicht ein Kilometer oder so. Aber da die Wohnung natürlich kleiner war konnte sie auch nicht alles mitnehmen. Und ich musste dann auch Dinge von meinem Vater entfernen in der Wohnung und im Keller, denn das musste natürlich als frei gemacht werden. Also die Sachen von meinem Vater wegzuschmeißen war noch schlimmer als der Tod selber.
Alles in allem war das auch eine stressige Zeit. Denn ich musste auch nebenher noch arbeiten. Bei Pelikan im Versand. Einerseits wollte ich zwar auch arbeiten damit ich nicht ständig an den ganzen Mist denken musste bezüglich meines Vaters. Aber wenn ich Feierabend machte, wusste ich ich muss nun weitermachen zu Hause in der Wohnung meiner Eltern und im Keller. Das war eine Zeit die alles andere als einfach war.
Da ich weiß dass MS auch von Stress her kommen kann, ist diese Zeit rund um meinen Vater auch ein Auslöser für die MS. Ich weiß natürlich auch dass MS viele Gründe haben kann, aber ich bin inzwischen auf drei mögliche Gründe gekommen bei mir, denn ich habe ja genug Zeit zum Nachdenken gehabt.
Jetzt noch etwas, was ich meinem Vater sagen würde:
Lieber Papa,
abgesehen davon dass die Zeit während deiner Krankheit und danach nicht einfach war bin ich dir trotzdem dankbar dafür , was du bzw ihr (auch Mama) aus mir gemacht habt. Ich bin sicher nicht perfekt, aber wenn ich andere Exemplare sehe, bin ich doch mit mir total zufrieden. Und ihr habt immer versucht mir ein gutes Zuhause zu bieten. Darum bin ich auch zu Hause erst ausgezogen als ich schon 29 war und ihr unser Haus verkauft habt. Ihr wart zwar oft nervig 😁 aber inzwischen ist mir einiges klar geworden, dass ihr nur mein Bestes wolltet. Ihr habt mir viel geboten, soweit es möglich war, und ich kann nicht sagen, dass ich ein schlechtes Elternhaus hatte. Im Gegenteil. Ich hatte immer bekommen was ich wollte, soweit ist natürlich nur möglich war, und ihr habt mir die Gelegenheit gegeben, dass ich mich entwickeln konnte. Ich bin Betriebswirt, war Versandleiter, habe Kampfsport betrieben, hatte ein eigenes Geschäft. Das wäre sicher nicht möglich gewesen wenn ich in einem schlechten Umfeld aufgewachsen wäre.
Leider spielt das alles heute keine Rolle mehr weil ich wegen MS in Frührente bin und dazu noch Depressionen habe. Das sind sicher die Folgen der letzten 20 Jahre, die nicht wirklich schön waren.
Aber ich denke , ab heute werde ich wieder annähernd der Alte werden. Natürlich geht das nicht von heute auf morgen. Aber ich muss ja zumindest mal anfangen. Das heißt ich werde meine Webseite ausweiten und groß machen damit unser Name ein Begriff wird, in Form von Duyster.de
Das Grundgerüst steht. Ich muss es nur noch weiter ausbauen und bekannt machen. Die Werbung ist im Grunde auch kein Problem weil ich ja Absatzwirtschaft als Schwerpunkt hatte, als ich meinen Betriebswirt gemacht habe. Dann fehlt mir noch eine Frau an meiner Seite, damit ich wieder jemanden habe der zu mir gehört. Das wird nicht einfach sein, als depressiver MS-Kranker eine Frau zu finden die auch akzeptabel ist. Aber ich habe gelernt nicht aufzugeben. Auch wenn ich heute keinen Kampfsport mehr machen kann, sind die inneren Einstellungen in dieser Hinsicht noch vorhanden. Auch wenn sie die letzten Jahre eher in der Versenkung verschwunden waren.
Aber dein heutiger 19 Todestag ist für mich jetzt (hoffentlich) der Beginn dafür wieder der Alte zu werden. Das heißt vor 19 Jahren hat mein gutes Leben aufgehört, und jetzt füge ich mein künftiges Leben an die damalige Zeit an. Ich mache also jetzt da weiter, wo ich vor 19 Jahren aufgehört habe. Zwar hat sich einiges verändert, eben durch die MS und Depression, aber ich werde wieder erstens meine Webseite weiter bearbeiten mit allem drum rum, und weiterhin werde ich in meiner Wohnung einige Dinge ändern, wie zum Beispiel jedem Teil seinen bestimmten Platz zuweisen. Damit ich nicht immer suchen muss wenn ich was brauche 😁 Und dadurch bewege ich mich automatisch mehr was meinem Körper hinsichtlich der MS gut tut, und das ganz automatisch.
Also meine wichtigste Aussage ist, dass ich heute da weitermache wo ich vor 19 Jahren aufgehört habe. Auch wenn es nicht einfach ist, aber es drängt mich ja keiner weil ich in Rente bin. Und ich lasse mich auch nicht mehr hetzen weil jeglicher Stress wieder negativ für meine MS ist.
Ich werde dich jedenfalls nie vergessen und in diesem Sinne weitermachen was du und Mama für mich immer wolltet, ein gutes Leben. In dieser Hinsicht werde ich einige Dinge in meinem Leben ändern. Es wird Zeit. Aber alles mit Ruhe. In der Ruhe liegt die Kraft. Und in einem Jahr, an deinem 20. Todestag, werde ich dir berichten, ob mir alles gelungen ist. 💪
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